Hab grade gesehen dass der Thead wieder aus der Versenkung geholt wurde und ich dachte mir ich gebe ein kurzes (ich versuche es zumindest ) & informatives Update über die bisherige Entwicklung.
Da ich "nur" etablierter Filmemacher für Industrie und Events bin bin ich in der Fernsehwelt in der Rolle als Content-Entwickler ein Niemand. Da habe ich einfach keinerlei Vertrauensvorschuss. Deshalb war es meine Überzeugung ich brauche Verstärkung von einer Produktionsfirma, welche mich quasi vertritt, verkauft und auch rechtliche Fragen klärt. Eine Firma die rein technisch als Executive Producer auftreten und ich dann neben Story, Regie, Kamera noch Line Producer bin.
Ich habe nach sehr kurzer Zeit von einem früheren Job jemanden gefunden der Feuer und Flamme für das Projekt war und auch sehr davon überzeugt war es gut verkaufen zu können. Weniger an ARTE oder andere kulturell aufgestellten Broadcaster (aus diversen Gründen wie beispielsweise dass die wenig experimentiertfreudig sind und die hausinternen Korrekturschleifen einen wohl vollends den Spaß verderben) sondern an die neuen Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime. Nach kurzer Bedenkzeit fand ich das auch gar nicht schlecht. Immerhin ist das Content-on-Demand und nur Leute die sich dafür interessieren kucken das auch an. Es gibt wohl wenig Bedenkenträger und man akzeptiert wohl wie nirgends sonst die Belange der Künstler. Qualität beim Streaming ist auch höher als beim herkömmlichen Broadcaster etc. etc.
Der Producer meinte "es wäre ihm ein persönliches Bedürfnis" bei den nächsten Dreharbeiten dabei zu sein. Ich sah keinen Grund der dagegen spricht, auch nicht nach einem ersten persönlichen Treffen in meinem Haus. Mir war klar: Ok, der ist ein wenig älter und wir müssen ja nicht die besten Freunde werden, aber an sich stimmte die Chemie erstmal. Viele werden schon ahnen dass dem nicht so geblieben ist....
Wir fuhren dann im September mit Sack und Pack, sprich mein Model, ein weiterer Begleiter, der Producer und ich erneut nach Italien um sehr konzentriert Footage für die erste Episode zu drehen, die sich ausschließlich um die Manicomi (Nervenheilanstalten) dreht. Inklusive Interviewterminen mit ehemaligem Pfleger, Dreh in einer Bibliothek für Recherchen etc.
Es kündigte sich bereits am ersten Drehtag an dass der Producer das Skript bzw. meinen Drehplan gar nicht gelesen hat. Ich habe sehr klar formuliert dass wir KEIN SCRIPTED REALITY drehen. Heisst soviel: Es wird keine albern-gestellten Dialoge vor der Kamera geben. Es ist klar dass eine fliegende Making-of-Kamera niemals all unsere "echten" Gespräche einfangen kann. Das war mir aber auch nicht wichtig. Alles was es an Infos und emotionalen Reflektionen geben wird werden wir durch Interview- und Statement-Situationen hinterher auflösen. Gegen alles andere habe ich eine persönliche Abneigung und es würde auch null zu dem Format passen. Der Producer - ich nennen ihn ab jetzt einfach mal Klaus Kinski, war da wohl anderer Ansicht. Seine Aufgabe bei dem Dreh war eigentlich eine dynamische Making-of-Kamera zu bedienen. Er gab dann aber Regie-Anweisungen wie "Mike, sag doch mal der Darya das und das......", "Darya, frag mal den Mike was das hier ist.....", "Niko, erzähl doch mal wie Du Dich jetzt fühlst.....".
Aber das war dann nicht alles. Am zweiten Tag standen wir extremst früh auf um im Schutz der Dunkelheit in ein Manicomio zu gehen. Drinnen angekommen hatten wir ein sehr kurzes Zeitfenster um im zarten Morgenlicht ein paar wichtige Sequenzen zu drehen. Das kapierte er nicht. Er wollte diskutieren warum.
Der Tag gipfelte dann darin dass er vor Ort mit uns Interviews machen wollte. Total bescheuert. Es war Tagesende. Wir waren "durch", es war kalt und die Raumakustik war megabeschissen. Meine Darstellerin war deshalb komplett verunsichert. Sie dachte auch aufgrund des sehr dominanten Auftretens von Klaus Kinski er hätte nun komplett das Sagen. Sie dachte ich hätte das alles abgegeben, quasi verkauft und wäre nur noch der Line Producer. Nicht nur deswegen sondern auch wegen kurzer Schlafzeiten und kaum Essen ging es ihr dann nicht mehr gut und sie zog sich in einen Raum zurück um etwas zu essen und sich zu erholen. Klaus Kinski ging ihr dann hinterher, richtete seine extrem helle Stirnlampe auf sie und filmte sie wie sie da zusammengekauert auf dem Stuhl sass. Meine Darstellerin reagierte darauf verständlicherweise sehr angepisst und begann zu heulen. Er meinte aber solche Szenen sind absolut wichtig und machte gar keine Anstalten die Kamera abzuschalten. Ich hab das erst gar nicht mitbekommen weil ich grade selbst meine Kamera umgebaut habe. Ich bin dann in den Raum gegangen und hab mich erstmal schützend zwischen sie und seine Kamera gestellt. Ich war ehrlich gesagt selbst total überfordert mit der Situation weil ich mit solch empathielosen Arschlöchern keinen Umgang pflege. Darya flüchtete dann und wurde von Niko getröstet und beruhigt. Ich bin erstmal bei Klaus Kinski geblieben und es ist mir irgendwie gelungen die Haltung zu wahren, hab ihm aber klipp und klar gesagt dass es sowas bei meinen Drehs nicht gibt und das die Aktion grade total daneben war. Wir sind hier alle Freunde und uns wäre der Spaß und gute Vibes wichtiger als zu schnellen Ergebnissen zu kommen. Wir drehen hier kein beschissenes, investigatives RTL-Format wo Redakteure Blutgeld kriegen wenn sich Protagonisten durch hinterhältige Einwürfe gegenseitig zerfleischen. Bin aber sachllich und ruhig geblieben, innerlich sah es anders aus. In Wahrheit hatte ich die ganze Zeit ein Bild vor Augen wie ich den alten Pisser direkt durch ein Fenster in den Innenhof werfe oder aus seinem hässlichen Schädel einen Aschenbecher mache.
Ich hab dann Klaus Kinski stehen gelassen und bin zu den anderen. Für ne gute Stunde. Und konnte glücklicherweise alle Unklarheiten über Bord werfen die bei den anderen verständlicherweise entstanden sind. Ich meinte auch dass ich den Teufel tun werde und mit diesem Typen nach diesem Dreh weiter zusammen arbeiten werde. Wir müssen nur 3 weitere Tage durchstehen weil wir eben nur mit einem Auto angereist sind und sehr viel schon organisiert und auch bezahlt war. Saudumme Situation.
Haben dann unisolo beschlossen dass wir gemeinsam gute Miene zum bösen Klaus machen und ihn einfach ignorieren. Das hat dann auch wunderbar geklappt. Keiner hat sich durch ihn mehr aus der Ruhe bringen lassen. Er hat uns zwar genervt und durch seine permanenten, morgendlichen Verspätungen einige Zeit gekostet. Aber es hat irgendwie geklappt.
Nach der Ankunft zu Hause ghoste ich diese Person und nach 2 unbeantworteten Emails kapiert selbst dieser empathielose Penner dass ich bzw. wir keinen Bock mehr auf ihn haben. Ende des Kapitels Klaus Kinski.
Warum erzähle ich das?
Aus 2 Gründen.
Erstmal um wieder zu betonen wie sehr man darauf achten muss auf welche Leute man sich einlässt wenn es in die mediale Fernsehlandschaft geht. Die Dichte an Arschlöchern ist dort so hoch wie nirgends. Es gibt ja nicht wenige in unserem Dunstkreis die schon negative Erfahrungen gemacht haben. Auch aus diesem Grund arbeite ich nicht mehr direkt für Broadcaster.
Zweitens kann ich so auch erklären warum es keine großen Fortschritte bezüglich Verkauf bzw Release gab. Der Typ ist nicht nur ein Arschloch sondern auch ein Dampfplauderer gewesen. Seine Kontakte waren ihm Nachhinein wohl doch nicht so gut. Ich mache mir sogar Sorgen inwieweit seine Vertretung mir eventuell geschadet hat. Bei Kollegen geniesst er keinen guten Ruf. Das habe ich leider auch erst während der Dreharbeiten erfahren, weil er ständig mit anderen Kollegen telefoniert hat und seine offensichtlichen Versäumnisse und Fehler geleugnet hat.
Fazit:
Die falsche Wahl eines Partners hat mich gefühlt ein viertel Jahr zurückgeworfen.
Ich versuche aber daraus etwas Positives zu gewinnen. Erstens habe ich wieder mal an Erfahrung gewonnen (Erfahrung ist so ziemlich das wichtigste was man in diesem Umfeld mitbringen kann), zweitens haben wir erst vor 2 Wochen nochmal einen Nachdreh gemacht weil wir wegen Klaus Kinksi einige wichtige Szenen nicht in den Kasten bekommen haben. Dabei sind nochmals sehr schöne Szenen entstanden und auch neue Ideen. Von daher alles halb so schlimm. Ich habe ja auch keine Deadline wann alles fertig sein soll.
Ich werde jetzt versuchen einen Teil der ersten Episode zu schneiden und werde das dann als Vertrauensbonus nutzen und mich damit vorstellen. Denn ein Trailer oder ein Film wie bereits vorhanden hinterlässt bei den Entscheidungsträgern einfach zu viele Fragezeichen. Aber ich werde es ab jetzt erstmal alleine versuchen.
Sorry für den langen Text. Ist doch wieder mehr geworden als geplant Vielleicht ist es ja doch für den einen oder anderen interessant oder unterhaltsam....